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Diabetes und Parodontitis – eine unterschätzte Allianz

Wenn der Mund zum Spiegel der Gesamtgesundheit wird...

Ausschnitt eines Gesichts, man sieht die Zähne

AdobeStock (Sophiaarenasphoto)

Von außen betrachtet scheint es sich um zwei klar voneinander abgrenzbare Krankheitsbilder zu handeln: Diabetes mellitus, die chronische Stoffwechselerkrankung, die mit einer gestörten Insulinproduktion oder -wirkung einhergeht – und Parodontitis, die entzündliche Erkrankung des Zahnhalteapparates, die langfristig zu Zahnverlust führen kann. Doch der Eindruck täuscht. Längst belegen wissenschaftliche Studien, dass beide Erkrankungen nicht nur weit verbreitet, sondern auch eng miteinander verwoben sind – eine bidirektionale Beziehung, wie es in der Fachsprache heißt.

Rund 12 Millionen Menschen in Deutschland sind laut der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung an einer behandlungsbedürftigen Form der Parodontitis erkrankt. Mehr als sieben Millionen Menschen leben laut der Deutschen Diabetes-Hilfe (diabetesDE) mit der Diagnose Diabetes mellitus – Tendenz steigend. Die Zahlen machen deutlich: Es handelt sich nicht um seltene Ausnahmeerscheinungen, sondern um zwei Volkskrankheiten, die das Gesundheitssystem wie auch die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig fordern.

Was die beiden Erkrankungen verbindet, ist jedoch nicht nur ihre hohe Prävalenz, sondern ihre stille, schleichende Natur. Weder Diabetes noch Parodontitis verursachen im Frühstadium akute Beschwerden. Häufig vergehen Jahre, bis Symptome auftreten – und in vielen Fällen ist der Schaden dann bereits fortgeschritten. Umso bedeutsamer ist es, beide Erkrankungen nicht länger isoliert zu betrachten.

Ein gefährlicher Kreislauf

„Die Beziehung zwischen Diabetes und Parodontitis ist wechselseitig – das macht sie so besonders und zugleich so tückisch“, erklärt Dr. Elmar Ludwig, Referent für Geriatrische Zahnmedizin der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg. Menschen mit schlecht eingestelltem Diabetes haben ein signifikant höheres Risiko, an Parodontitis zu erkranken – teils drei- bis vierfach erhöht. Umgekehrt kann eine unbehandelte Parodontitis die Blutzuckerkontrolle erheblich erschweren.

Chronische Entzündungen wie die Parodontitis stören die Insulinwirkung und verschlechtern damit die glykämische Kontrolle. Gleichzeitig führt ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel zu einer gestörten Immunabwehr, schlechterer Wundheilung und einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen – auch im Mundraum. Der Kreislauf ist perfekt.

„Obwohl wir diese Zusammenhänge gut kennen, wird Parodontitis in der Behandlung von Menschen mit Diabetes noch viel zu selten mitgedacht“, warnt Prof. Dr. Jochen Seufert, Leiter der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg. Für ihn steht fest: „Nur in enger Zusammenarbeit mit zahnärztlichen Kolleg*innen können wir diesen Teufelskreis durchbrechen.“

Was bedeutet das konkret in der Praxis?

Die zahnmedizinische Betreuung von Menschen mit Diabetes erfordert besondere Sorgfalt und Hintergrundwissen. So enthalten viele Lokalanästhetika gefäßverengende Substanzen wie Adrenalin, die wiederum die Insulinwirkung hemmen und den Blutzuckerspiegel erhöhen können. „In solchen Fällen ist eine individuelle Risikoabwägung und ein offenes Gespräch mit dem Patienten unverzichtbar“, so Prof. Dr. Seufert.

Ein weiterer, oft unterschätzter Punkt: Nur eine entzündungsfreie Mundschleimhaut erlaubt eine stabile Blutzuckerkontrolle. Regelmäßige zahnärztliche Kontrolluntersuchungen, professionelle Zahnreinigungen (PZR) sowie die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) sollten für Menschen mit Diabetes daher zum festen Bestandteil ihrer Gesundheitsvorsorge gehören. Je nach individuellem Risikoprofil kann ein Intervall von ein- bis viermal pro Jahr sinnvoll sein.

Die Mundhöhle als Frühwarnsystem

Der Blick in den Mund erlaubt nicht selten Rückschlüsse auf den Zustand des gesamten Körpers. „Die Gesundheit beginnt im Mund“, heißt es – und es ist längst mehr als ein geflügeltes Wort. Wer frühzeitig entzündliche Prozesse erkennt, kann chronische Verläufe nicht nur eindämmen, sondern aktiv verhindern.

Dennoch fehlt es in der Praxis oft an der notwendigen Vernetzung zwischen Diabetologie und Zahnmedizin. Patient*innen pendeln zwischen Facharztpraxen, ohne dass die eine Disziplin weiß, was die andere tut. Dabei wäre ein integrierter Behandlungsansatz – ein Schulterschluss zwischen Hausarzt, Diabetologe und Zahnarzt – der einzig richtige Weg.

Es ist an der Zeit, die Parodontitis nicht länger als isoliertes Zahnproblem zu betrachten, sondern als das, was sie ist: eine systemische Entzündungserkrankung mit weitreichenden Folgen für die Allgemeingesundheit.

Cornelia Schwarz (cos) / IZZ BW

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