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Chaos bei Kindergarten- und Schulbegleitung

Kinder mit Diabetes benötigen im Kindergarten und in der Grundschule in vielfältiger Art Unterstützung von Erwachsenen bei der Durchführung ihrer Behandlung.

Foto von Reiner Hub

Reiner Hub (Quelle: DBW)

(Wir haben den letzten Absatz dieses Artikels am 19.07. aktualisiert)

Wenn Erziehungs- oder Lehrkräfte nicht freiwillig zu dieser Tätigkeit bereit sind, werden Begleitpersonen benötigt. Im vergangenen Herbst ist nun durch eine Gesetzesänderung die häusliche Krankenpflege neu geordnet worden. Seitdem ist vollkommen unklar, ob und wie an Diabetes erkrankte Kinder zukünftig bei Bedarf eine Begleitperson erhalten können.

Seither wurden Anträge auf eine Begleitung mit medizinischen Maßnahmen (Blutzucker messen und Insulin verabreichen) sowie der erforderlichen Krankenbeobachtung (Erkennung von Unterzuckerungen) begründet. Im Zuge der Reform ist die „Spezielle Krankenbeobachtung von der häuslichen Krankenpflege weg in den Bereich der außerklinischen Intensivpflege (AKI) verschoben worden. Anträge auf Begleitung werden seitdem von den Krankenkassen mit Verweis auf die neue Rechtslage häufig abgelehnt. In anderen Fällen hat man mehr Glück und bekommt eine Begleitperson genehmigt. Unklar ist, ob das nur an der Ausführlichkeit der Begründung des Antrags liegt, oder ob manche Krankenkassen das Blutzuckermessen und Insulinspritzen in den Vordergrund stellen und die Krankenbeobachtung außer Acht lassen.

Sowohl der Gesetzgeber als auch der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA legen den Schwerpunkt der außerklinischen Intensivpflege auf Patienten, die zu Hause beatmet werden müssen. Kinder mit Diabetes kommen darin nicht vor. Der Medizinische Dienst Bund beschreibt in seiner Begutachtungsleitlinie zur außerklinischen Intensivpflege dagegen auch diesen Sonderfall. Er erkennt an, dass bei diesen Kindern „Körperwahrnehmung alters- und entwicklungsabhängig noch eingeschränkt ist“. Es wird betont, dass die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen in Kindergarten oder Schule „in Abstimmung zwischen den Eltern und der Einrichtung durch das vorhandene Personal auf freiwilliger Basis erfolgen“ können. Für den Fall, dass das Personal nicht dazu bereit ist, verweist der Medizinische Dienst Bund auf die Leistungen zur Teilhabe an Bildung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach §112 SGB IX. Im Widerspruch dazu hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit schon mehrfach festgestellt, dass zuerst die Krankenkasse zuständig ist, da die Eingliederungshilfe Nachrang hat!

Weiter schreibt der Medizinische Dienst Bund für den Fall, dass trotzdem außerklinische Intensivpflege beantragt wird: „Unter der Voraussetzung einer ausreichend stabilen Diabeteseinstellung mit Gewährleistung von regelmäßigen, engmaschigen Blutzuckerkontrollen, Insulingaben nach Dosierschema und Beachtung der diätetischen Maßnahmen kann es nur selten zu Blutzuckerentgleisungen kommen, die als unmittelbar lebensbedrohlich zu bewerten sind. Diese Sondersituationen begründen nicht die Notwendigkeit einer permanenten pflegerischen Interventionsbereitschaft im Sinne einer außerklinischen Intensivpflege.“

Wie kommt man zu seinem Recht?

Das bedeutet im Umkehrschluss: Eltern müssen gemeinsam mit der behandelnden Ärztin/dem behandelnden Arzt bei der Krankenkasse einen Antrag auf außerklinische Intensivpflege stellen. Der Antrag muss damit begründet werden, dass durch die ständige Gefahr von Stoffwechselentgleisungen Lebensgefahr besteht. Sowohl Eltern als auch das Kind müssen in der Lage sein, die Fragen des Gutachters bei seinem Hausbesuch in diesem Sinne zu beantworten! Zusätzlich empfiehlt sich eine schriftliche Bestätigung des Kindergartens bzw. der Schule vorzulegen, dass sie die Beobachtung des Kindes ohne zusätzliches Personal nicht leisten können.

Sollte die Krankenkasse den Antrag ablehnen, dann ist ein Widerspruch empfehlenswert. Parallel dazu kann mit dem ablehnenden Bescheid der Krankenkasse beim Sozialamt ein Antrag auf Eingliederungshilfe nach §112 SGB IX (Leistungen zur Teilhabe an Bildung) gestellt werden. Ebenfalls mit ärztlicher Begründung und Bestätigung von Kindergarten oder Schule.

Inzwischen haben sich auch schon einige Sozialgerichte mit dieser Thematik beschäftigt. So das Sozialgericht Marburg und das Landessozialgericht Hessen. Beide erkannten den klagenden Familien in Eilverfahren vorläufig bis zum Abschluss des Hauptverfahrens außerklinische Intensivpflege zu.

Reiner Hub, Vorstandsmitglied DBW und Sozialreferent DDF