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„Es gibt keinen Urlaub vom Diabetes"

Seit Oktober 2015 ist Elke Brückel stellvertretende Vorsitzende des DBW-Diabetiker Baden-Württem-

berg e.V., der größten Interessenvertretung für Menschen mit Diabetes in Baden-Württemberg.

Nun ist Elke Brückel ins zweite Glied gerückt. Im Gespräch mit BT-Redaktions-
mitglied Heike Vetter erzählt die Gaggenauerin von ihrem Leben als Diabetikerin: "Typ-2-Diabetes muss von Anfang an ernst genommen werden." Die Betroffenen individuell zu schulen sei dabei das A und O. Elke Brückel hat vor 30 Jahren in Baden-Baden den Startschuss für die Diabetiker-Selbsthilfegruppen in der Region gegeben.

BT: Frau Brückel, Sie bereiten gerade Ihr Mittagessen vor. Achten Sie dabei streng auf die Zubereitung und die Lebensmittel?

Elke Brückel: Irgendwie schon. Aber im Prinzip ist es ganz wichtig, dass frisch gekocht wird und keine Fertigprodukte verwendet werden. Wenn man sich die Inhaltsstoffe mal anschaut, ist das sicherlich nicht gesundheitsförderlich. Im Grunde darf man als Diabetiker alles essen. Aber, es ist wie bei allem: Die Menge macht´s. Wenn man nicht auch mal etwas genießt, wird man selber ungenießbar.

BT: Das heißt, Sie nutzen nicht ständig die Waage und rechnen Broteinheiten aus?

Elke Brückel: Nein, also wenn man wie ich seit 53 Jahren Diabetes hat, dann hat man ein Gefühl dafür. Gerade bei den Typ-2-Diabetikern ist es wichtig, dass Kohlenhydrat-Fett- und Eiweißmenge in einem ausgewogenen Verhältnis steht und die Kalorien beachtet werden. Das die Portionen so eingeteilt werden, dass Gemüse und Balaststoffe überwiegen. Einfach so, wie jeder Mensch, der auf seine Gesundheit achtet. Ein Diabetiker wird da nicht ausgenommen. Aber den Diabetes hat man 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr, es gibt keinen Urlaub. Das muss ich im Fokus haben.

BT: Ist der Diabetes lebenseinschränkend für Sie?

Elke Brückel: Gerade wenn ich an meine Kindheit denke, war das nicht immer lustig. Anfang der 60er Jahre hatten wir die ganzen technischen Errungenschaften noch nicht. Wir haben mit Glasspritzen gespritzt, die ausgekocht und die Nadeln immer wieder verwendet. Im Gegensatz dazu ist das, was wir heute haben, Luxus. Es gibt immer mehr technische Hilfsmittel, die das Leben mit Diabetes erleichtern. Übel ist, gerade für junge Menschen, wenn ihnen sinnvolle technische Hilfsmittel teilweise von den Krankenkassen nicht zur Verfügung gestellt werden, weil die Kosten zu hoch oder Zusatznutzen zu gering eingeschätzt werden. Dabei müsste man gerade bei Kindern alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit sie so normal wie möglich aufwachsen.

BT: Heutzutage erkranken auch immer mehr Kinder an Diabetes Typ 2. Worin sehen Sie die Ursache?

Elke Brückel: In mangelnder Bewegung, der Ernährung und in der Erbanlage. Gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung müssen im Elternhaus begonnen, in den Kitas und in der Schule forgesetzt werden.

BT: Macht sich diese Entwicklung auch bei Ihrer Arbeit im Verband bemerkbar?

Elke Brückel: Nein, nicht bei den Kindern, die an Diabetes 2 erkrankt sind. Wir bekommen aber ganz viele Anrufe von Eltern mit Kindern, die Typ-1-Diabetiker sind und aufgrund ihrer Erkrankung in Kitas nicht angenommen werden. Oder die Mutter muss x-mal am Tag hingehen, um das Insulin zu spritzen, weil die Erzieherin nicht die Verantwortung übernehmen will und Angst hat, etwas falsch zu machen. Hier müsste es eine klarere Regelung von offizieller Seite geben. Ich begrüße die Inklusion behinderter Menschen sehr, aber gerade Kinder mit Diabetes werden da häufig außen vor gelassen. Das sollte nicht sein, wenn man von Inklusion spricht.

BT: Sozialministerin Katrin Altpeter hat ein neues Programm zur Diabetes-Prävention vorgestellt. Ist es nicht schwierig, Menschen anzusprechen, die noch nicht erkrankt sind?

Elke Brückel: Das stimmt. Wenn ich aber weiß, dass Eltern oder Großeltern Zucker haben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst gefährdet sein könnte. Ich höre oft: "Meine Oma hat das auch gehabt, aber das ist Alterszucker." Den Begriff Alterszucker gibt es nicht. Es handelt sich um Typ-2-Diabetes und der muss von Anfang an ernst genommen werden. Leider wird die Erkrankung häufig auf die leichte Schulter genommen.

BT: Das heißt, die Gentechnik ist für den Ausbruch des Diabetes Typ 2 ausschlaggebend, nicht schlechte Ernährung und mangelnde Bewegung?

Elke Brückel: Die genetische Vorbelastung ist vorhanden, aber man kann die Diabetiker nicht ganz von ihrer Verantwortung freisprechen. Wenn ich in der Familie sehe, das Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes vorhanden sind, dann muss ich mir doch von vornherein sagen: Das möchte ich mal nicht. Ich habe es in der Hand. Dann wäre es gut, sich direkt zu testen und beraten zu lassen. Aber generell: Bewegung ist eine der wichtigsten Säulen der Therapie. Ohne Bewegung geht eigentlich nichts.

BT: Was sind Ihre Wünsche an das Gesundheitssystem, an die Politik, was verändert werden müsste, um der steigenden Anzahlt der an Diabetes Erkrankten entgegenzuwicken?

Elke Brückel: Es müsste mehr Aufklärungskampagien in den Medien geben und Lebensmittel besser gekennzeichnet werden. Prävention ist das A und O. Den Diabetes selbst behandeln, ist nur ein kleiner Teil. Die Folgeerkrankungen, die dazu kommen können, zu behandeln, ist eine viel größere Herausforderung. An dieser Stelle Prävention zu betreiben ist wichtig. Dazu gehören individuelle Schulungen. Diabetes zu haben und nicht geschult zu sein, ist wie Auto fahren ohne Führerschein - eine Art Blindflug.