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Meine Erlebnisse und Erfahrungen mit Diabetes Mellitus – Typ 1

Mitte der 50er-Jahre kam der "Helinos Injektionsapparat" auf. Bei ihm konnte man mittels eines Spannfedermechanismus' die Spritze mit Nadel, aufgezogener Insulinmenge und Kolben vorspannen und dann durch Drücken eines Hebelchens an der Seite das "Geschoß" zur (weitgehend) schmerzfreien Injektion auslösen.

So ein Gerät benutzte ich vor ca. 55 Jahren auch. Aufbewahrt werden konnte der "Injektionsapparat" in einem ca. 18 cm langen und ca 4 cm dicken Stahlrohr. 

Alle 4 Wochen musste ich in die Kinderklinik nach Stuttgart zur Blutzuckermessung. Dazu wurde damals das relativ umständliche Hagedorn-Jensen-Verfahren angewandt, bei dem die Blutproben - übrigens meist entnommen am Ohrläppchen - u.a. aufgekocht, zentrifugiert und austitriert werden mussten. Nach ca. 2 Stunden hatte man den Wert dann. So etwas konnte nur in einem Labor gemacht werden.  

Es gab auch einen Blutzucker-„Schnelltest“ nach der Crecelius-Seifert-Methode. Mit dieser hatte man den Zuckerwert im Blut deutlich schneller, aber nicht so genau. 

Zucker im Urin konnte qualitativ durch Aufkochen der mit einem Reagenz versehenen Probe in einem Reagenzglas nachgewiesen werden. Bei Unachtsamkeit kam es vor, dass die „Brühe“ aus dem Glasröhrchen oben herausgespritzt ist.  

Zum Azeton-Nachweis wurde in die Urinprobe Nitroprussid-Natrium eingetropft. Bei violetter Verfärbung des Probenrandes war Azeton im Urin. Diesen Test konnte man ohne weiteres selbst machen. 

Ab Mitte 1953 marschierte ich alle 14 Tage nüchtern zu meinem Hausarzt zur Blutabnahme für die Blutzuckerbestimmung nach der Hagedorn-Jensen-Methode. Anschließen musste ich mit dem Zug nach Bietigheim in die Oberschule fahren. Also hat mir jedes Mal meine Mutter das Frühstück an den Bahnhof gebracht, das ich dann zu mir nahm, nachdem ich mich gespritzt hatte. 

Zum Süßen von Speisen für Diabetiker konnte man z.B. im Reformhaus Sionon in einer rot lackierten, feuchtedichten Blechdose um 18.- DM/Pfund kaufen, wenn man kein Saccharin nehmen wollte. Sionon war ein Sorbit, also ein Zuckeralkohol, das aus Maisstärke gewonnen wurde. An Schokolade gab es z.B. Frankonia-Sionon-Schokolade in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Diabetiker-Bonbons oder -Kaugummi gab’s noch nicht. 

Hatte ich Azeton im Urin, was leicht vorkommen konnte, dann bekam ich nur noch mit Wasser gekochten Haferschleim zu essen. Meine Mutter hat aber zur Geschmacksverbesserung immer ein paar Tropfen Maggi-Würze hineingegeben, nachdem der Schleim gekocht war. Das Schleimessen hat im Gegensatz zu den im Folgenden aufgeführten beiden „Wundermitteln“ wirklich geholfen. 

Damals glaubte man u.a. auch, dass Bohnenschalen-Tee (igitt!) und Pampelmusen (= Grapefruits) den Zucker senken würden. Also wurden die Schalen von Stangenbohnen getrocknet und Tee daraus gekocht und Pampelmusen gegessen. Wie bereits gesagt, ohne Erfolg.  

So war die Situation für mich als Diabetiker vor 69 Jahren!  
Das Leben hat aber trotz allem noch Spaß gemacht, ich hatte ja auch 1953 im Großsachsenheimer Schloßfreibad Schwimmen gelernt!  

In den Folgejahren kam die „Zeit der Ferienlager“, veranstaltet vom DDB unter der Leitung von Herrn Beining. Mein erstes Ferienlager fand statt in der Bauernschule Schwerzen bei Waldshut, das zweite bei den Schwestern im Kloster Wessobrunn in Bayern, das dritte auf der Halbinsel Mettnau bei Radolfzell am Bodensee. Dort besuchte uns auch der Diabetologe Herr Prof. Dr. Krainich, der später in Ostasien (Südvietnam?) ermordet wurde.  

1962 machte ich Abitur und studierte dann Nachrichtentechnik an der TH (= Technischen Hochschule), die später zur Uni Stuttgart wurde. 

Am 01.03.1968 begann ich meine Berufstätigkeit bei der Fa. Bosch, bei der ich bis zum Ausscheiden aus dem hauptamtlichen Berufsleben am 31.12.2004 blieb. 

1969 wurde geheiratet. Wir haben 3 erwachsene Kinder und inzwischen 5 Enkel, alle sind gesund und haben keinen Diabetes.  

 

Ende Teil II von III, in der kommenden Ausgabe erfahren Sie, wie es Herrn Mattes weiter erging. 

Portrait von Berhard Mattes, Spritzutensilien und Reflomat