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Trotz Diabetes geht vieles, nichts ist unmöglich!

Alexander Hemmann ist leidenschaftlicher Sportler. Dabei stand ihm sein Diabetes Typ 1 nie im Weg. Stattdessen hat er ihn überall hin mitgenommen: ob Tauchen, Alpenüberquerung oder Himalaya.

Wie Alexander Hemmann das geschafft hat und wie solche extremen Sportarten für ihn (und Euch) möglich sind, erzählt er in seinem Erfahrungsbericht.

Männlich, 49 Jahre jung, fast 20 Jahre Diabetes Typ 1. Sportart:  Crossfit, Trainingsintensität 6x in der Woche. Das war nicht immer so und klingt vielleicht ein bisschen verrückt. Bis vor zwei Jahren habe ich oft gesagt ‚Ich hasse Sport‘. Ja klar, ich habe mich viel bewegt, war viel in der Natur, immer ambitioniert, ein aktiver Lebensstil eben. Aber regelmäßig Sport: nope.  

Nach meiner Diagnose Typ 1 Diabetes war mir sofort klar, dass ich mein Leben und auch meinen Drang zur Aktivität nicht hinter dem Diabetes zurückstellen werde. Zum Glück fand ich mit Prof. Siegel einen Arzt, der mich diesbezüglich vollständig unterstützt. Aber wie soll das gehen? Pumpe und CGM war in weiter Ferne und allgemein hörte man immer mal wieder, dass das mit der Bewegung für Diabetiker nicht so einfach ist. Ich habe viel gelesen und nutzte schnell die Gelegenheit ein Seminar bei Ulrike Thurm zu besuchen. Sie ist wohl die deutsche Ikone für Sport und Diabetes. Ihre erste Frage an die Teilnehmer war, welche Sportart man als Diabetiker wohl nicht ausführen darf. Ich, gut informiert aus Büchern, schmetterte sofort ‚Tauchen‘ raus. 

Frau Thurm machte klar, dass es keine Sportart gibt, die man als Diabetiker nicht ausüben kann. 

Was dann kam, veränderte meine Einstellung zum Leben mit Diabetes nachhaltig. Frau Thurm machte klar, dass es keine Sportart gibt, die man als Diabetiker nicht ausüben kann. Vielleicht muss man sich besser vorbereiten als Menschen ohne eine chronische Erkrankung Aber die Grenzen setzt man sich nur selbst und nicht der Diabetes. Also machte ich mir von nun an keine Gedanken darüber, ob das mit Diabetes geht, sondern wie das geht. Ich sammelte Erfahrung, wanderte, kletterte, fuhr Mountainbike und Ski und surfte; gerne auch verbunden mit Reisen in abgelegene Gegenden der Welt. Und es funktionierte! Ein bisschen Besonnenheit und Umsicht reichten, um bisher nie in eine kritische Situation zu geraten. 

Die erste richtig große Herausforderung und Bewährungsprobe war meine zweite Alpenüberquerung, dieses Mal der Traumpfad von München nach Venedig. Ich hatte mir vorgenommen die Tour allein zu machen: 21 Tage, bei jedem Wetter, Übernachtung in Hütten. Da musste nicht nur das gesamte Diabetesequipment mit in den Rucksack, auch gegen mögliche Unterzuckerungen musste was mit. Am Ende hatte ich 11 kg Gepäck, und 3 kg zusätzlich speziell für den Diabetes. Insulin kühl halten, schnelle Kohlenhydrate im direkten Zugriff,  Blutzucker-Scanner griffbereit … und los. Ich war darauf eingestellt sehr wenig Privatsphäre zu haben, jeden Tag zehn Stunden zu laufen und mehrere tausend Höhenmeter zu überwinden. Zum Glück gehörte damals blutig Messen ganz frisch der Vergangenheit an, so war die Blutzuckerkontrolle unterwegs zu jedem Zeitpunkt problemlos möglich. Natürlich sank der Insulinbedarf rapide und der Kohlenhydratbedarf nahm zu, aber dank des leckeren Hüttenessens war das sehr angenehm zu kompensieren. Wer sich davon überzeugen mag, kann gerne mal in Google Earth „Rifugio 7°Art“ suchen und „street view“ aktiveren. Dort sieht man mich sitzen, da just zu diesem Zeitpunkt ein Team von Google vor Ort war. Ich hatte mir angewöhnt sofort nach meiner Ankunft auf den Hütten eine alkoholfreie Weizen-Cola zu trinken. So konnte ich dem Muskel-Auffülleffekt gut begegnen und Mineralien nachtanken. Am Ende habe ich die allermeisten Süßigkeiten verschenkt, bin heil angekommen und habe es unendlich genossen mir selbst zu beweisen, dass man mit Diabetes wirklich alles machen kann, wenn man nur will.  

Also wurde es Zeit für neue Abenteuer. Der Himalaya und genauer der Annapurna rief mich. Einmal sollte es komplett um einen der 8000er gehen, der sogenannte „annapurna circle“. Wieder allein und dieses Mal bis in fast 6000 m Höhe. Die erste Hürde war, dass mir niemand, nicht mal der Hersteller der Geräte, sagen konnte, bis in welche Höhe ein fgm funktioniert. Von normalen Blutzuckermessgeräten wusste ich, dass die ab 4000 m nur noch Unsinn anzeigen. Vom Hersteller bekam ich die Auskunft: Testen Sie es aus, wir sind gespannt von Ihren Erfahrungen zu hören…Na danke! In über 4000 m Höhe ohne zuverlässigen Blutzuckerwert, das war mir zu heiß. Es gab nur eine Lösung, die guten alten Urinteststreifen mussten mit. Zum Glück musste ich die nie einsetzen. Das fgm tat anstandslos seinen Dienst, auch bei Frost und in großer Höhe, durch die Jacke Scannen, ein unbeschreiblicher Mehrwert in extremen Situationen. In solchen Höhen muss man sich also mehr Gedanken um die Höhenkrankheit machen und über viel Erfahrung in hochalpinem Gelände verfügen, so wie jeder andere auch. Diabetes ist da eine kaum wahrnehmbare Mehrbelastung. 

Auch wenn es merkwürdig klingt, für mich waren solche Touren Spaß in der Freizeit und hatten mit dem was ich unter Sport verstehe nichts zu tun.  Immer noch hätte ich damals den Spruch ‚Ich hasse Sport‘ unterschrieben. 

Wumm. Da war er, der Sport, für den ich mich begeistern konnte 

Das änderte sich ziemlich genau vor 2 Jahren.  Durch einen schweren Unfall konnte ich mich sechs Monate quasi nicht bewegen. Ich merkte, wie mein Körper auf die fehlende Freizeit- und Alltagsbewegung reagierte und in dieser Zeit massiv abbaute. Also ging ich auf die Suche nach einem Fitnessstudio ganz in der Nähe. Ich landete, ohne zu wissen worauf ich mich einlasse, in einer Crossfit Box. Wumm. Da war er, der Sport, für den ich mich begeistern konnte. Seit dem trainiere ich recht intensiv. Es tut mir, meinem Körper, meiner Seele und auch meinem Diabetes sehr gut. Durch die regelmäßigen Trainingszeiten kann man die Diabetestherapie gut auf den Sport anpassen, mit Pumpe noch viel einfacher als mit Pen.  

Und da bekanntlich ‚Stillstand der Tod ist‘, habe ich auch meine Therapie einen Schritt nach vorn gebracht und lebe seit gut einem Jahr mit einem Closed Loop System. Der Gewinn an Freiheit und Sicherheit ist unbeschreiblich. 

Um zum Anfang zurück zu kommen. Inzwischen kann ich auch Tauchen. Die Grenzen setzt bei mir auf jeden Fall nicht der Diabetes. Grenzen setzt nur die eigene Willenskraft. Bewegung und Sport mit Diabetes sind gut zu managen, tun gut und können wahrscheinlich auch oft wichtiger Bestandteil der Therapie sein. Meinen Diabetes werde ich nicht loswerden, aber einschränken lasse ich mich dadurch nicht.  

Alexander Hemmann